Seit nun drei Wochen arbeite ich in der Vorschule in Honkilahti. Mein Wunsch war es in einer Institution zu arbeiten, welche unserem Kindergarten am ähnlichsten ist. Normalerweise ist die finnische Vorschule in einer Kinderkrippe integriert. Was sie hier als Kindergarten bezeichnen, ist bei uns eine Kinderkrippe mit einer separaten Gruppe für die Vorschulkinder. Hier in Honkilahti ist dies nicht so. Die Vorschule wird einzeln geführt, wie bei uns der Kindergarten. Ich möchte nun gerne ein Bisschen einen Einblick in den Vorschulunterricht hier geben, muss aber festhalten, dass er nicht repräsentativ für das Schulsystem Finnland ist. Ich bin mir nämlich inzwischen sehr sicher, dass sich die Methoden in finnischen Schulen und Vorschulen stark von einander unterscheiden. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt lediglich schildern wie der Unterricht in dieser spezifischen Vorschule ist und Vergleiche zu meinen Erfahrungen in der Schweiz machen (auch in der Schweiz gibt es natürlich Differenzen von Kindergarten zu Kindergarten).
Es gibt sowohl viele Gemeinsamkeiten als auch durchaus deutliche Unterschiede zum Kindergarten in der Schweiz. Einige Unterschiede sind auf die Methodik der Lehrperson zurück zu führen und ich bin mir sicher, dass man solchen Kindergartenunterricht auch in der Schweiz findet. Andere Unterschiede sind auf die Mentalität der Menschen aus dieser Region zurück zu führen, andere sind tatsächlich etwas allgemeingültiger und so viel ich durch Gespräche in Erfahrung gebracht habe auf Finnland zu generalisieren und bei weiteren Unterschieden bin ich mir sicher, dass sie auf das System Schule in Finnland zurück zu führen sind und demnach im ganzen Land so gehandhabt werden. Obwohl ich folgend einige Unterschiede aufzeigen möchte, kann ich vorneweg sagen, dass ich etwas enttäuscht bin. Es gibt für mich hier nicht so viel neue und unbekannte Lernfelder, wie ich mir zu Beginn erhofft habe, da sich viele Grundstrukturen mit jenen in der Schweiz decken. Gemeinsamkeiten Der Unterricht dauert jeden Tag vier Stunden. Lerninhalte und Ziele entsprechen grösstenteils den Schweizer Kindergartenlehrplänen, Eskari gehört seit einigen Jahren offiziell zur Schule und ist die erste schulische Instanz, welche die Kinder durchlaufen müssen. Methodik und Didaktik entsprechen soweit allem was wir auch kennen und anwenden, meiner Meinung nach ist allerdings die Methodik von Helena, meiner Mentorin, etwas verhaltet. Ich habe durchaus das Gefühl, dass es Sachen gibt, die man nach neusten Erkenntnissen anders empfiehlt und ich definitiv anders machen würde. Doch ist dies eine individuelle Auffassung und ich weiss, dass jede Kindergärtnerin und sicherlich auch Kindergärtner (falls es noch welche gibt) ihre eigenen Vorlieben haben, was die Gestaltung des Unterrichts betrifft. Die Grundprinzipien sind allerdings dieselben. Das Lernen und Wohl des Kindes stehen im Zentrum der Arbeit. Die Lehrerin befolgt einen Lehrplan und hat vorgegebene Ziele, welche die Kinder bis zum Schuleintritt erreichen sollten. Es werden Elternabende organisiert zu Beginn des Jahres und vor dem Schuleintritt und Einzelgespräche geführt wo der Lernstand des Kindes besprochen wird. Anhand von Einschätzungsbögen wird den Eltern erklärt, wo sich das Kind in seiner Entwicklung befindet und wie man das Erreichen der Lernziele einschätzt. Ich finde das Grundverständnis und die Bedeutung der Vorschule hier in Honkilahti entsprechen stark den Auffassungen, welche ich und viele mir bekannten Kindergärtnerinnen in der Schweiz vertreten. Unterschiede im gesamten System Ein offensichtlicher Unterschied sind die Unterrichtszeiten. Eskari findet von 9.30 bis 13.20 Uhr statt. Anstatt einer Znünipause gibt es um 11 Uhr Mittagessen in der Schule. Wie alle Schüler in Finnland, essen auch die Kleinsten in der Schule und gehen nicht nach Hause. In einer Vorschule befindet sich abgesehen von der Lehrperson eine Miterzieherin, welche auch zu 100% anwesend ist. Das bedeutet, dass hier in Honkilahti zur Zeit 3 ausgebildete Arbeitskräfte für 14 Kinder sind (was mir persönlich fast ein bisschen frech vorkommt, wenn ich daran denke, dass man in der Schweiz teilweise mit 23 Kindern alleine ist). Natürlich kann man mich trotz Ausbildung nicht als vollwertig ansehen, da ich auf freiwilliger Basis arbeite und nicht als stellvertretende Arbeitskraft eingesetzt werden darf und mir mangels Wortschatz manchmal der Handlungsspielraum enorm eingeschränkt wird und ich nicht wirklich so arbeiten kann, wie mir das lieb wäre, aber das ist wiederum ein anderes Thema. Die Kinder gehen lediglich 1 Jahr in die Vorschule. Alle Kinder welche z.B. im Kalenderjahr 2016 von Januar- Dezember 6 Jahre alt werden, beginnen im August mit der Vorschule. Nach einem Jahr treten die Kinder dann in die erste Klasse ein. Etwas Weiteres was ich noch aufführen möchte ist das Schultaxi. Da hier die Distanzen um einiges Weiter sind als es in meinen Schweizer Arbeitsregionen üblich ist, kommen alle Kinder mit dem Schultaxi. Wenn ein Kind weiter als 5km von der Schule entfernt wohnt, hat es per Gesetz Anrecht auf ein gratis Taxidienst. Ich bin mir nicht sicher wie dies in der Schweiz geregelt ist, an Orten wo die Schule auch etwas weiter entfernt ist. Und ich weiss, dass man zum Beispiel in Helsinki die Schule selber wählen kann, dort dieses Anrecht aber nicht wirklich besteht, denn wenn eine Familie wünscht dass ihr Kind in den 10 km entfernten Kindergarten geht, anstatt in den Näheren, ist es in ihrer Verantwortung den Transport zu bezahlen. Und zu guter Letzt, Begrüssung und Abschied finden ohne Händedruck statt. Des ist nicht direkt etwas, das auf das Schulsystem zurück zu führen ist, sondern allgemein auf die Mentalität der Finnen, aber ich weiss, dass es in ganz Finnland so gehandhabt wird, weshalb ich es hier aufführen möchte. Für mich war es zu Beginn etwas verwirrend, obwohl ich es bereits im Voraus wusste. Ich muss auch ehrlich sagen, ich finde es etwas Schade. Mir fehlt der direkte Kontakt zu jedem einzelnen Kind. Dieser kurze Moment, welcher nur einem Kind spezifisch gewidmet ist und dem Kind die Anerkennung gibt, dass man es wahrgenommen hat. Regionalspezifische Unterschiede Der für mich grösste und unerwarteste Schock war die Erkenntnis, dass hier in dieser Region, die Religion einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Alle Familien besuchen dieselbe Kirche. Am Morgen gehört es zum Morgenritual, ein Gebet zu sprechen. Vor dem Mittagessen werden die Kinder dazu ermahnt, ihr Gebet nicht zu vergessen und heute war der Pfarrer höchstpersönlich hier und hat aus der Bibel erzählt und mit den Kindern gebetet und religiöse Lieder gesungen. Nächsten Monat findet dieser Religionsunterricht sogar in der Kirche selber statt. Monatlich kommt Herr Pfarrer vorbei oder wir gehen in die Kirche. Soviel ich weiss, gehen auch die meisten Familien regelmässig am Sonntag zur Kirche, Die Kinder kannten demnach die Gebete und Lieder schon sehr gut, obwohl dies heute der erste Besuch vom Pfarrer in diesem Schuljahr war. Im Gespräch mit anderen Leuten aus Finnland wurde mir klar, dass z.B. in Helsinki sowas nicht vorkommt. Evtl. werde ich noch Gelegenheit haben in anderen Kindergärten und/oder Schulen reinzuschnuppern. Ich bin gespannt, wie es anderswo aussieht, diesbezüglich. Bis Jetzt sind meine Arbeitstage ehre kurz und ich werde nicht stark gebraucht. Da Helena sehr oft die gleiche Methodik anwendet, habe ich nach 3 Wochen das Gefühl, dass ich nicht mehr wirklich viel neue didaktische Inputs erhalten werde, Unterrichtsideen notiere ich mir aber und vielleicht erinnere ich mich in ein paar Jahen sogar wieder daran und kann etwas davon anwenden. Diese Woche konnte ich das erste Mal selber sowas wie unterrichten. Ich habe ein Abschiedslied eingeführt. Das von den Aarauer Kindergärtner geliebte "Tschirribiribi Poropopo" singen nun auch die Finnischen Kinder in Honkilahti und zumindest den letzten Teil des Liedes beherrschen sie inzwischen schon recht gut und singen es auch gerne im Taxi oder auf dem Spielplatz. Diese Woche werde ich wohl auch mal eine Sequenz leiten können. Da es mein Hauptberuf wäre, ist es manchmal etwas frustrierend, wenn ich meine Tätigkeit nicht richtig ausüben kann, weil mir die Sprache fehlt. Auch werde ich einfach nicht sehr oft gebraucht bei 3 Erwachsenen auf 14 6-jährigen Kindern. Dies lässt meine eigentlich kurzen Arbeitstage doch recht lange erscheinen manchmal. Ich hoffe, dass ich noch einige andere Arbeitsplätze besuchen kann und natürlich hoffe ich, dass mein Sprachwissen sich soweit verbessert, dass ich einfache Kommunikation mit den Kindern führen kann. |